Interview mit dem Isernhagener Kreisblatt

 

1. Hubert Heil und Ewa Klamt stehen Ihnen als starke Gegener gegenüber. Wie schätzen Sie beide ein und wie sehen Sie Ihre eigenen Chancen?

Mir kommt es in erster Linie darauf an, grüne Inhalte in den Bundestagswahlkampf einzubringen und die Wählerinnen und Wähler davon zu überzeugen. Herr Heil ist über Platz 3 der niedersächsische Landesliste der SPD so gut abgesichert, dass er nicht auf Erststimmen angewiesen ist. Auch Frau Klamt kann ohne eine Mehrheit der Erststimmen über die Liste (Platz 15 bei derzeit 20 niedersächsischen CDU-Abgeordneten) in den Bundestag einzuziehen. Falls es mir gut genug gelingt, die Wählerinnen und Wähler nicht nur von den grünen Inhalten und Zielen, sondern auch von meiner Person zu überzeugen und eine Mehrheit der Stimmen im Wahlkreis auf mich entfallen würden, würde ich gern auch in den Bundestag einziehen und die Region Gifhorn-Peine vertreten.

 

2. Ihr Wohnort ist Ilsede, Ihre Arbeitsplatz in Berlin. Wie erklären Sie dem Wähler die Bürgernähe zum Landkreis Gifhorn?

Ilsede ist nicht nur mein jetziger Wohnort, sondern ich bin hier geboren und aufgewachsen und habe den größten Teil meines Lebens hier verbracht. Daher bin ich der Region eng verbunden. Dies hat sich durch meine Mitgliedschaft in der Verbandsversammlung des Großraums Braunschweig in der Zeit der Aufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms, bei der es um die vielen lokalen Besonderheiten und ihr Zusammenfügen zu einem Ganzen ging, noch verstärkt. Ich habe den Landkreis Gifhorn immer auch ein wenig als Ergänzung zum Landkreis Peine gesehen, hier die dominierende Stahlindustrie, die ihre Produktue zum Teil zur Weiterverarbeitung an die Automobilindustrie und ihre Zulieferbetriebe in Wolfsburg und im Landkreis Gifhorn liefert. Hier die ausgeräumte Landschaft der Lößbörde, dort die Wälder und Heidelandschaften. Auch wenn mein Ausgangspunkt im Landkreis Peine liegt, fühle ich mich doch dem gesamten Wahlkreis und dem Großraum Braunschweig zugehörig.

 

3. Welche Rezepte haben Sie für den demographischen Wandel in der Region Gifhorn?

Ich glaube, "für" den demographische Wandel braucht es auch in der Region Gifhorn keine Rezepte, er vollzieht sich unaufhaltsam. Auch "gegen" den demographischen Wandel kann man sich schwerlich stellen, denn die Eltern der fehlenden Kinder sind selbst bereits nicht geboren worden. Es wird in Zukunft darum gehen, mit der alternden Gesellschaft in vernünftiger Weise umzugehen, den Verkehr und die öffentlichen Einrichtungen altersgerecht umzugestalten und Arbeitsplätze zu schaffen, auf denen Ältere in ebenfalls zu schaffenden flexiblen (Altersteilzeit) und abgesicherten (Teilrente) Übergängen aktiv und eingegliedert in den Ruhestand gegen können. Für die letzte Lebensphase müssen quantitativ und qualitativ hochwertige Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Vergessen werden darf aber dabei nicht, dass durch Ausbau der Krippen und Kindergärten, die Verbesserung der Schulausbildung und ein kostenfreies Studium auch die Vorssetzungen geschaffen werden müssen, dass sich der demographische Wandel nicht fortsetzt und verschärft und der arbeitende Teil der Bevölkerung über Produktivitätssteigerungen und Qualitätsproduktion in die Lage versetzt wird, Kinder und Alte zu ernähren.

 

4. CDU und FDP wollen keinen Mindeslohn. Wie sehen das die Grünen?

In einem ersten Schritt sollte ein flächendeckender Mindestlohn von 7,50 € eingeführt werden, der schrittweise an den Mindestlohn in unseren europäischen Nachbarländern (Frankreich, Luxemburg) angepasst wird. Damit muss verhindert werden, dass Menschen mit einer Vollzeitstelle nicht von ihrem Lohn leben und ihre Kinder ernähren und in einem angemessenen Lebensumfeld aufwachsen lassen können. Der Mindestlohn markiert allerdings nur die Untergrenze. Darüber hinaus sind Beschäftigten selbst gefordert, sich in den Gewerkschaften zu organisieren, ihre Interessen als abhängig Beschäftigte zu vertreten und einen gerechten Anteil an den von ihnen erarbeiteten Werten notfalls mit Arbeitskampfmaßnahmen einzufordern. Das Eintreten für die eigenen Interessen kann und darf uns der Staat nicht abnehmen.

 

5. Die Landwirte (auch im Kreis Gifhorn stark vertreten) hatten in der letzten Zeit allen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Warum müssen Menschen die Pleite anmelden, die die Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgen?

Die Landwirtschaft hat in einem Weiter-wie bisher eingerichtet. Sie kann sich in Zukunft nicht mehr darauf verlassen, dass ein starker Bauernverband und die Bauernlobby in den Parteien schon dafür sorgt, dass die eigenen Pfründe gesichert werden. Die Verbraucher lassen es den Landwirten immer weniger durchgehen, dass sie zum größten Teil noch in "konventioneller" Wirtschaftsweise mit Überdündung die Seen, Flüsse und Küstenmeere belasten, mit Pestiziden die Artenvielfalt dezimieren, mit schweren Maschinen die Bodenregeneration verhindern und belastete Lebensmittel auf den Markt bringen. Der Trend zu Bio-Lebensmitteln zeigt dies an. Anderseits muss sich die Landwirtschaft in Deutschland auf sinkende EU-Direktbeihilfen und eine wachsende internationale Konkurrenz einstellen. Billigproduktion können andere besser. Hier hilft nur eine konsequente Ausrichtung auf ökologische Qualitätsproduktion in der Landwirtschaft, die durch die zweite Säule der EU-Agrarpolitik und nationale Fördermaßnahme für den ländlichen Raum degressiv und auf ein selbsttragende Entwicklung hin gefördert werden sollten. Von der Förderung des ländlichen Raums mit den sogenannten Modulationmitteln profitieren die Landwirte, aber auch die übrige Bevölkerung auf dem Lande. Die Förderung des ökologischen Landbaus, der regionalen Vermarktung, der artgerechten Tierhaltung und von Agrarumweltmaßnahmen – eine nachhaltige Landwirtschaft - erhält die ländlichen Regionen lebenswert.

 

6. Vollbeschäftigung bis 2020 – Wie klingt das für die Grünen?

Das klingt sehr gut, wird aber nur zu erreichen sein durch einen konsequenten ökologischen Umbau der Wirtschaft und der Gesellschaft. Leider haben beide in Gifhorn und Peine dominierenden Branchen, die
die Zukunftstrends in den vergangenen 3-4 Boomjahren etwas verschlafen, obwohl VW mit dem Dreiliter-, ja sogar dem Einliter-Auto, und die Salzgitter
AG mit der neuen Bandgießanlage den Einstieg in ökologische Zukunftstechnologien bereits vollzogen haben. Jetzt muss vollständig umgesteuert werden in einen ökologisch-sozialen Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft, auch in Gifhorn und Peine: ökologisch verträgliche Antriebstechniken in allen neuen VWs, Ausbau der Erneuerbaren Energie (bereits 20% der Stahlproduktion) und Zusammenschluss zu intelligenten "virtuellen Kraftwerken", umfassende energetische Gebäudesanierung, ökologische Beschaffung bei Kommunen und öffentlichen Einrichtungen, Hebung von Energie- und Ressourceneffizienzpotentialen in Industrie, Handwerk und Landwirtschaft, Nutzung erneuerbarer und sekundärer Rohstoffe, Ausbau der Bildungsangebote vom Kleinkind bis zum Greis. Mit einer bereits gut ausgebildeten Bevölkerung, technologischen Schlüsselbereichen und einem guten Zusammenhalt in der Region können wir es schaffen. heimische Stahl- und Autozuliefererindustrie in dieser Hinsicht


7. Wer gewinnt in Ihren Augen die Bundestagswahl? Merkel oder Steinmeier und warum?

 

Ich hoffe, es gewinnt in erster Linie unser Land, indem die Wähler eine  zumindest rechnerisch eine rot-GRÜN-rote Regierung ermöglichen. Diese Regierungsoption tatsächlich Wirklichkeit werden zu lassen, hängt von der SPD und ihrer Politikfähigkeit ab. (siehe Frage 8)

 

8. Wäre eine große Koalition auch in Zukunft sinnvoll?

Nein, natürlich nicht. Eine große Koalition würde den bisherigen Stillstand durch gegenseitige Blockade fortsetzen und gerade in der jetzigen Krisesituation, in der politische Handlungsfähigkeit gefordert ist, die Gefahr beinhalten, dass die Chancen, die die Krise auch beinhaltet, nicht genutzt werden, wir international den Anschluss verlieren und noch tiefer in die Wirtschaftskrse rutschen. Vielmehr müssen wir der linken Mehrheit in unserem Land zum Durchbruch verhelfen. Hier ist vor allem die SPD gefordert, ihre Wähler zu mobilisieren und endlich über ihren Schatten zu springen und eine rot-GRÜN-rote Koalition zu ermöglichen. Es kann doch nicht sein, dass ein solches Projekt an einigen alten Männer scheitert, die sich verhalten wie sitzengelassene Eheleute in der Schmollecke. Unserer Land darf auch nicht den Schwarz-Gelben überlassen werden, die mit ihrer neoliberalen Politik, der Weiternutzung der Atomenergie, der Abschaffung von Kündigungsschutz und sozialer Sicherung, der weiteren Privatisierung von Volksvermögen, der Deregulierung unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus etc. die sozial Schwachen und die Mittelschichten schutzlos dem Wüten der Märkte ausliefern wollen und damit unser Land zugrund richten. Dies nicht zu verhindern würde bei der SPD von Politikunfähigkeit und von grober Verantwortungslosigkeit gegenüber unserem Land zeugen.

 

Rolf Bräuer



 



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